Mein erster Besuch bei Gilbert

Es muss 1969 gewesen sein. Der französische Franc hatte einen Wert von knapp 80 Pfennige. Ich hatte weder Auto noch Führerschein. Der ältere Bruder meines Freundes besaß seit kurzem einen alten, klapprigen VW-Käfer. Gemeinsam mit noch 2 Freunden wollten wir eine kleine Spritztour unternehmen. Nachdem wir einige Märker für Sprit zusammenrafften, beschlossen wir nach Frankreich zum Schneckenessen zu fahren. Unser Fahrer kannte dort einen Ort der sich "Bei Gilbert" nannte. Als wir dort ankamen hatten wir, wie sich später herausstellte, unwahrscheinliches Glück einen Tisch in dieser Sagen umwobenen Gaststätte zu ergattern. Gilbert, der Patron, ein netter Mann begrüßte uns mit den Worten: Was beliebt`s? Wir bestellten uns jeder ein halbes Dutzend Schnecken und tranken dazu einige Flaschen Sekt. Je zwei Schachteln "Gaulloise" durften auch nicht fehlen. Für die meisten von uns war das Schneckenessen das erste Mal, und um sich keine Blöße zu geben schluckte man die doch gewöhnungsbedürftigen Happen hinunter. Das frische Baguette aßen dazu wir in rauen Mengen. Stolz und einigermaßen gesättigt nahmen wir noch ein paar Flaschen Sekt mit und fuhren zurück in die Heimat. Ich weiß noch, dass diese Spritztour doch recht günstig war: Ein halbes Dutzend Schnecken kostete 5 Mark - eine Flasche Sekt vor ort auch - eine Flasche zum Mitnehmen nur 3 Mark. Also alles in allem konnte man für ca. 10 Märker in Frankreich speisen. Wir haben es später noch des Öfteren probiert - aber ohne Erfolg, die Gaststätte A LA CHARRUE - CHEZ GILBERT in Lauterbourg, in der ich heute der Patron bin, war immer "complet".


Weinbergschnecken - eine Spezialität für jedermannAls Gilbert Ballweg ende der 50er Jahre den Dachboden seiner Scheune aufräumte, entdeckte er ein paar Schneckengehäuse. Da entsann er sich, dass bereits sein Großvater schon um die Jahrhundertwende Schulkinder Schnecken sammeln ließ. Diese verkaufte er damals neben Gänsestopfleber nach Strasbourg an Restaurants und Feinkosthändler. Weinbergschnecken waren bis dato lediglich als Vorspeise für ein Menü den betuchten Herrschaften vorbehalten. Da kam Gilbert und seine Frau Yvonne die zündende Idee: Weinbergschnecken mit Knoblauchbutter und Baguette, erschwinglich für jedermann, in ihrem Restaurant "A LA CHARRUE" anzubieten. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Die Gäste kamen von nah und fern, um einfach nur Schnecken in Knoblauchbutter zu essen. Die Ballwegs machten somit die Weinbergschnecken für jedermann salonfähig. Mittlerweile sind die Schnecken auf elsässischen Speisekarten nicht mehr wegzudenken.


Schnecken und Gus Backus
Der alte Häuptling der Indianer, Gus Backus hatte an einem Abend im Jahre 1970 sein Herz nicht in Heidelberg, sondern bei Gilbert in Lauterbourg bei Wein, Weib und Gesang verloren. Hier verzehrte er die ersten Schnecken seines Lebens, die ihm mehrfach aus dem Besteck glitten und quer über den Tisch kullerten. Nachdem man ihm erfolgreiche Nachhilfe in „Schneckenjagd“ gab, sollte er als Entschädigung doch eine musikalische Einlage bringen. Doch er wollte sich dank fehlender Gitarre aus der Pflicht entziehen. So beauftragte man einen Bekannten doch nach Karlsruhe zu fahren um Herrn Backus Gitarre zu holen. Dieser war nach einer knappen Stunde mit Sportwagen und Gitarrenkoffer des Herrn Backus wieder da. Doch der Gitarrenkoffer war leider leer. Nach langem hin und her trieb man in Lauterbourg doch eine Gitarre auf und Gus Backus trällerte bei toller Stimmung bis in die Morgenstunden seine Lieder. Diese Gitarre steht heute noch im A LA CHARRUE und mancher bekannte Künstler wie z.B. Blues-Charly und... und viele andere gaben hier schon ein Konzert.


Legendäres Kochbuch

Bei Renovierungsarbeiten am Dach fanden wir neben persönlichen Utensilien auf einem Dachsparren ein altes Kochbuch. Dieses wurde von Gilberts Eltern während des Krieges dort deponiert und geriet in Vergessenheit. Einige handschriftliche Randbemerkungen lassen darauf schließen das möglicherweise schon die Großeltern dieses angeschafft hatten und es der nächsten Generation weitergaben, die ebenfalls einige Eintragungen machten. Viele Gerichte aus diesem Kochbuch waren der Ursprung der kleinen aber feinen Küche der Familie Ballweg, die das Charrue vier Generationen bewirtete. Viele alte vergessene Rezepte sollen nun wieder zu alten Ehren kommen, und nach und nach als Zusatzangebote unter „Nostalgiegerichte“ nachgekocht werden.


Karneval in Lauterbourg  - CARNAVAL A LAUTERBOURG

Lauterbourg war einst die Hochburg der hiesigen Fasenachter. Neben dem jährlichen Fasnachtumzug genannt „Grande Cavalcade“ und dem großen Fasnachtsball des Musikvereins, treiben einzigartig in Lauterbourg jedes Jahr am Mardi Gras (Fasnachtsdienstag) die Heringschwänz ihr Unwesen. Dies sind u.a.  maskierte Kinder, ausgestattet mit einer Angel, am Haken einen Hering, die das Städtchen unsicher machen. Sie gehen von Geschäft zu Geschäft und fordern mit lautem Geschrei: „Heringschwänz, Heringschwänz ...“ ihren Tribut in Form von Süßigkeiten, Getränke oder Kleingeld. Bei Zuwiderhandlung wird dem „Zollpflichtigen“ als Strafe der Hering an die Scheibe, Auto etc. geschlagen. Dieser alte Brauch hat seinen Ursprung als Lauterbourg noch ein kleines Fischerdorf  war. Danach trifft man sich bei Glühwein, Bier, Würstchen etc. am Place de la Republique. Als Abschluss finden sich die Heringschwänz seit Jahren bei Gilbert im A LA CHARRUE ein.